Das vergessene Tal - Kritik | Film 1971 | Moviebreak.de (2024)

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Kritik

Seine größten Spuren im Filmgeschäft hinterließ der Brite James Clavell sicherlich eher als Drehbuchautor zu Klassikern wie Die Fliege (1958) und besonders Gesprengte Ketten (1963), aber auch als Regisseur war er ab und an auch mit achtbaren Erfolgen vertreten (u.a. Herausgefordert, 1967). Das vergessene Tal nach dem gleichnamigen Roman von J.B. Pick blieb 1971 sein letzter Versuch, sich in der Doppelfunktion als Regisseur & Autor auf der Kinoleinwand zu beweisen. Der mit rund 6 Millionen Dollar Budget recht aufwändig inszenierte Film erhielt nur durchwachsene Kritiken und findet trotz prominenten Gesichtern wie Michael Caine (Dressed to Kill), Omar Sharif (Doktor Schiwago) oder Nigel Davenport (Phase IV) in den Hauptrollen heute kaum noch Erwähnung. Dabei besitzt er durchaus Potential zu Höherem und auch wenn er das letztlich wirklich nicht auszunutzen vermag, ist er in seinem ganzen Wesen zumindest ein immer noch interessantes Vorhaben.

1641 tobt der Dreißigjährige Krieg bereits seit 23 Jahren und hat in Europa tiefe Schneisen der Verwüstung hinterlassen. Leid, Tod und Elend sind in diesem chaotischen, angeblichen Glaubenskrieg allgegenwärtig. Kaum noch jemand erinnert sich an die Zeit, als dies mal anders war. Entsprechend drastisch startet der Film und wirft einen sofort in ein barbarisches Szenario. Protagonist Vogel (Omar Sharif), wie wir später erfahren ein ehemaliger Lehrer aus Magdeburg, läuft um sein Leben. Bangend vor willkürlich mordenden Soldaten planlos durch Gegenden, in denen es nur die Wahl gibt, ob man durch Waffengewalt oder die Pest dahingerafft wird. Gespenstisch, beinah apokalyptisch in Szene gesetzt türmen sich die Leichenberge in vernebelten Wäldern. Ein Ausweg scheint unmöglich. Bis die Zeit plötzlich still steht bzw. offenbar der Reset-Schalter betätigt wurde. Unverhofft findet sich Vogel am Ende seiner orientierungslosen Flucht in einem idyllischen Tal mitten in den deutschen Alpen wieder. Das ihm zu Füßen liegende Dörfchen scheint völlig unberührt von dem Grauen was um es herum seit über zwei Dekaden tobt, gut geschützt und behütet durch die Bergketten und verschlungenen Pfade, die es praktisch unsichtbar für die verrohte Außenwelt macht.

Die angedeutet Rettung ist nur von kurzer Dauer, denn mit ihm schlägt auch die desillusionierte Söldner-Truppe unter dem Kommando des „Hauptmanns“ (Michael Caine) dort auf, die wie gewohnt nur daran interessiert ist, das Dorf zu plündern und niederzubrennen. Dem gebildeten und mit rhetorischen wie diplomatischen Geschick ausgestatteten Vogel gelingt jedoch eine List: Er überzeugt den Hauptmann, ihn und die gesamte Dorfgemeinschaft zu verschonen, um dort zu überwintern, versteckt vor den Unruhen der Schlachtfelder, anstatt wie sonst die erbeuteten Vorräte der Obrigkeit zu übergeben und im Gegenzug dennoch zu verrecken. Fortan nisten sich die Eroberer dort ein, unterjochen die Bevölkerung, gehen aber auch Kompromisse ein, denn in dieser unfreiwilligen Symbiose profitiert einer von dem anderen. Das Dorf verliert seine Autonomie, muss sich dem Willen der Eindringlinge beugen und Einzelschicksale akzeptieren, im Gegenzug bleiben sie alle am Leben und ihnen wird sogar eine merkwürdige Form von Schutz gewährt. Als Vermittler agiert ständig Vogel, der ein stetig drohendes Massaker verhindern will, aber selbst keine Ahnung hat, wohin diese fatale Zweckgemeinschaft irgendwann führen wird.

Der radikale Cut gleich zu Beginn des Films sorgt sofort für seine exravagante Stimmung: Sobald Omar Sharif in diese sonderbar unberührte Parallelwelt eintritt, beginnt Das vergessene Tal seine eigentliche Geschichte zu erzählen. Obwohl im Gewand eines Kriegs-, Historien- und Kostümfilms daherkommend, wird hier natürlich viel mehr eine Metapher und Allegorie über gesellschaftliche Prozesse, die Auswirkungen von religiösen Fanatismus und das Infiltrieren einer bis dato harmonischen, in sich geschlossenen Gemeinschaft dargestellt, die mehr und mehr zu einem Abbild der hässlichen Welt jenseits seiner bewusst gewählten Grenzen wird. Die Eindringlinge, sie bringen Zwietracht unter die friedfertige Käseglocke, auch wenn sie eigentlich selbst davor Schutz suchen. Das vergessene Tal entwickelt ein inhaltlich spannendes Ambiente, das Vergleiche vom ganz Großen (z.B. der deutschen Besatzung in Frankreich während des Zweiten Weltkriegs) bis in das Kleinste heranzieht, da es oftmals ähnliche Mechanismen sind. Thematisiert zudem die oft verlogene Doppelmoral religiös motivierter Konflikte, bei dem das Eine recht und billig wird, sobald das Andere in Bedrohung gerät. Hervorragend besetzt und vor einer bewusst befremdlich-irritierenden Kulisse inszeniert, funktioniert der Film in erster Linie über seine Evaluierung als Parabel, denn über seine ebenfalls durchaus gelungenen, wenn auch spärlichen Actionsequenzen.

Fazit

In seinen Gedankengängen und dem Aufbau plausibel, entgleitet „Das vergessene Tal“ im letzten Drittel leider seine Marschrute und er verläuft in einem platten Schlussspurt, der in einem kitschigen und sogar leicht fragwürdigen Finale mündet. Eigentlich Grund genug, den Film tatsächlich in seinem einst verhaltenen Feedback zu bestätigen. Der Weg dorthin ist jedoch so reizvoll, dass er insgesamt nicht nur in Erinnerung bleiben dürfte, sondern seine positiven Merkmale in der Gesamtheit dennoch überwiegen. Hier ist eher ein ziemlich guter Film auf den letzten Metern verloren gegangen, als ein Misslungener entstanden.

Kritik: Jacko Kunze

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